Ernst Ansermet |
Komponisten

Ernst Ansermet |

Ernst Ansermet

Geburtsdatum
11.11.1883
Datum des Todes
20.02.1969
Beruf
Komponist, Dirigent
Land
Schweiz

Ernst Ansermet |

Die eigentümliche und majestätische Gestalt des Schweizer Dirigenten markiert eine ganze Ära in der Entwicklung der modernen Musik. 1928 schrieb die deutsche Zeitschrift Di Muzik in einem Anserme gewidmeten Artikel: „Wie wenige Dirigenten gehört er ganz unserer Zeit an. Nur anhand des facettenreichen, widersprüchlichen Bildes unseres Lebens kann man seine Persönlichkeit verstehen. Verstehen, aber nicht auf eine Formel reduzieren.

Von Ansermes ungewöhnlichem Schaffensweg zu erzählen, bedeutet in vielerlei Hinsicht auch, die Geschichte des Musiklebens seines Landes und vor allem des wunderbaren, von ihm 1918 gegründeten Orchesters der Romanischen Schweiz zu erzählen.

Als das Orchester gegründet wurde, war Ernest Ansermet 35 Jahre alt. Seit seiner Jugend liebte er Musik, verbrachte viele Stunden am Klavier. Aber er erhielt keine systematische musikalische und erst recht keine Dirigentenausbildung. Er studierte am Gymnasium, im Kadettenkorps, am Lausanne College, wo er Mathematik studierte. Später reiste Ansermet nach Paris, besuchte die Dirigentenklasse am Konservatorium, verbrachte einen Winter in Berlin und hörte Konzerten herausragender Musiker zu. Lange konnte er sich seinen Traum nicht erfüllen: Die Notwendigkeit, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, zwang den jungen Mann, Mathematik zu studieren. Aber die ganze Zeit hat Ansermet nicht daran gedacht, Musiker zu werden. Und als sich ihm offenbar die Aussichten auf eine wissenschaftliche Laufbahn eröffneten, gab er alles auf, um die zufällig aufgetauchte bescheidene Stelle als Kapellmeister eines kleinen Ferienorchesters in Montreux einzunehmen. Hier versammelte sich in jenen Jahren ein modisches Publikum – Vertreter der High Society, der Reichen sowie Künstler. Unter den Zuhörern des jungen Dirigenten war irgendwie Igor Strawinsky. Dieses Treffen war entscheidend im Leben von Ansermet. Bald lud Diaghilev ihn auf Anraten von Strawinsky zu sich ein – in die russische Balletttruppe. Die Arbeit hier half Anserme nicht nur, Erfahrungen zu sammeln – während dieser Zeit lernte er die russische Musik kennen, die er lebenslang zu einem leidenschaftlichen Bewunderer machte.

In den schweren Kriegsjahren wurde die Karriere des Künstlers für einige Zeit unterbrochen – statt zum Dirigentenstab musste er erneut zum Lehrerstab greifen. Aber bereits 1918 organisierte Ansermet, nachdem er die besten Schweizer Musiker zusammengebracht hatte, tatsächlich das erste professionelle Orchester seines Landes. Hier, am Scheideweg Europas, am Schnittpunkt verschiedener Einflüsse und kultureller Strömungen, begann er seine selbstständige Tätigkeit.

Das Orchester bestand aus nur achtzig Musikern. Heute, ein halbes Jahrhundert später, ist sie eine der besten Bands in Europa, zählt mehr als hundert Leute und ist dank ihrer Tourneen und Aufnahmen überall bekannt.

Ansermets kreative Sympathien waren von Anfang an klar definiert und spiegelten sich im Repertoire und künstlerischen Auftreten seines Teams wider. Allen voran natürlich die französische Musik (insbesondere Ravel und Debussy), in deren Übertragung der bunten Palette Ansermet ihresgleichen sucht. Dann die russischen Klassiker „Kuchkists“. Ansermet war der erste, der seine Landsleute und viele Zuhörer aus anderen Ländern in ihre Arbeit einführte. Und schließlich die zeitgenössische Musik: Honegger und Milhaud, Hindemith und Prokofjew, Bartok und Berg und vor allem Strawinsky, einer der Lieblingsautoren des Dirigenten. Ansermets Fähigkeit, Musiker und Zuhörer zu begeistern, sie mit den skurrilen Farben von Strawinskys Musik zu fesseln, enthüllt in all seiner Brillanz das Element seiner frühen Kompositionen – The Rite of Spring. „Petruschka“, „Feuervogel“ – und bleibt dennoch unübertroffen. Wie einer der Kritiker feststellte: „Das Orchester unter der Leitung von Ansermet erstrahlt in schillernden Farben, das Ganze lebt, atmet tief und fängt das Publikum mit seinem Atem ein.“ In diesem Repertoire offenbarte sich das erstaunliche Temperament des Dirigenten, die Plastizität seiner Interpretation in voller Brillanz. Ansermet vermied alle möglichen Klischees und Standards – jede seiner Interpretationen war originell, nicht wie irgendein Sample. Vielleicht hat sich hier im positiven Sinne Ansermets Fehlen einer richtigen Schule, seine Freiheit von Dirigententraditionen ausgewirkt. Die Interpretation klassischer und romantischer Musik, insbesondere deutscher Komponisten, aber auch Tschaikowskys, war zwar nicht die Stärke von Ansermet: Hier erwiesen sich seine Konzepte als wenig überzeugend, oft oberflächlich, ohne Tiefe und Weite.

Als leidenschaftlicher Propagandist der modernen Musik, der vielen Werken Leben einhauchte, wandte sich Ansermet jedoch entschieden gegen die destruktiven Tendenzen moderner Avantgarde-Bewegungen.

Ansermet tourte zweimal durch die UdSSR, 1928 und 1937. Die Fähigkeit des Dirigenten, französische Musik und Werke von Strawinsky aufzuführen, wurde von unseren Zuhörern gebührend geschätzt.

L. Grigoriev, J. Platek

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